Was passiert mit uns, wenn wir Bilder von Kriegsopfern im Fernsehen sehen? Oder hungernde Kinder? Vielleicht müssen wir weinen. Oder wir wollen irgendwie helfen, durch Spenden oder direkt vor Ort.
Oder wir schalten den Fernseher aus, weil diese Bilder einfach unerträglich sind. Wir sind gefühlskalt. Oder?
So einfach ist es nicht. Ob wir weinen und mitleiden, helfen oder wegschauen entscheidet unser Empfinden von Empathie und Mitgefühl. Oder unser Mangel an beidem. Aber wovon sprechen wir hier eigentlich?
Mitgefühl versus Empathie
Sind Empathie und Mitgefühl einfach nur zwei Begriffe, die dasselbe meinen? Nein, aber Forscher ziehen unterschiedliche Grenzen. Tania Singer, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, begründet ihre Unterscheidung neurowissenschaftlich: Empathie und Mitgefühl werden von unterschiedlichen biologischen Systemen und Hirnstrukturen unterstützt. Forschungsergebnisse zeigen, dass bestimmte Gehirnareale aktiviert werden, wenn Probanden Bilder von leidenden Menschen gezeigt werden. Es handelt sich dabei um das gleiche neuronale Netzwerk im Gehirn, das auch unsere eigenen schmerzhaften Erlebnisse repräsentiert. Dadurch können wir empathisch sein.
Das Problem: Die Grenze zwischen dem eigenen Leid und dem Leid anderer verschwimmt schnell. Dadurch kann das Leid zu viel werden und in "empathischen Stress" ausarten. Dann schalten wir den Fernseher aus, um die schlimmen Bilder nicht mehr zu sehen. "Empathie kann bis zum Burnout führen", heißt es in Singers
E-Book "Mitgefühl in Alltag und Forschung", in dem die Wissenschaftlerin ihre Ergebnisse zum Thema zusammenfasst.
Empathie bedeutet nicht automatisch, dass wir uns um jemanden sorgen. Dafür braucht es Mitgefühl
Empathischer Stress hilft niemandem
Sozialpsychologe Stefan Pfattheicher, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Ulm, sagt, empathischer Stress entstehe vor allem angesichts großer Gruppen leidender Menschen. "Das lässt sich auch am Spendeverhalten nachweisen. Es ist einfacher, Spenden zu generieren, wenn es um einen einzelnen leidenden Menschen geht, als wenn es sich um eine große Gruppe handelt." Mit Gefühlskälte hat das weniger zu tun als mit Überforderung. Empathischer Stress steht dem Mitgefühl letztlich im Weg.
Im Unterschied zur Empathie hat das Mitgefühl nämlich einen positiven Effekt auf den eigenen Zustand. "Dabei werden Gehirnareale aktiviert, die mit Belohnung und Zugehörigkeit assoziiert sind und deren Aktivierung sich positiv auf unseren Gesundheitszustand auswirken", erklärt Neurowissenschaftlerin Singer. Mitgefühl - nicht Empathie - bringt soziales Verhalten hervor und bewirkt, dass wir helfen und das Leid des anderen mindern möchten. Was genau heißt das?
Netter mit Oxytozin
Mitgefühl ist wie jede Emotion auch ein biochemischer Prozess. Eine entscheidende Rolle spielt das Hormon Oxytozin, dessen positiver sozialer Einfluss in Versuchen mit zwei miteinander eng verwandten Unterarten der Wühlmaus nachgewiesen werden konnte. Während die Präriewühlmaus ein mit vielen Oxytozin-Rezeptoren ausgestattetes Gehirn besitzt und dauerhafte, monogame Beziehungen pflegt, gilt die Bergwühlmaus als Einzelgänger mit ständig wechselnden Partnern. Die Oxytozin-Rezeptoren sind bei diesen Mäusen weniger zahlreich. Unterbrachen die Forscher die Oxytozin-Aktivität der liebevollen Präriewühlmäuse, wurden die ähnlich gefühlskalt wie ihre Verwandten.
Die Hinweise mehren sich, dass Oxytozin grundsätzlich einen ähnlichen Effekt auf das soziale Verhalten von Menschen hat. Unter dem Einfluss von Oxytozin nimmt die Großzügigkeit gegenüber anderen zu und es fördert Vertrauen.
Weniger Stress durch Mitgefühl